Stahlratte will dich by Harrison Harry

Stahlratte will dich by Harrison Harry

Autor:Harrison, Harry
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: WILHELM HEYNE VERLAG
veröffentlicht: 2014-11-16T05:00:00+00:00


12

»Du bist ein freier Mann, Jim, ein freier Mann. Frei wie die Vögel!«

Ich redete mit mir selbst, um mir Mut zu machen, und es half auch ein bisschen. Doch hier gab es keine Vögel, nach denen man seine Freiheit ausrichten konnte. Es gab in dieser Eiswüste nichts außer mir selbst, der einen anstrengenden Schritt nach dem anderen machte, weil ich bis zu den Knien einsank. Was hatte doch Kraj vor vielen Jahren über diesen Planeten gesagt? Das Forschen in meinen Gedächtniszellen lenkte mich einige Sekunden lang von meiner unangenehmen Lage ab. Die Gedächtnis-Kurse, die ich belegt hatte, müssten sich jetzt auszahlen. Ich brachte die richtige Assoziationskette in Gang – und schon war die Erinnerung da. Sehr gut!

Ständig kalt, hatte er gesagt. Das stimmte durchaus. Außerdem gab es kein Grün, nichts wuchs hier. Heute mochte, wenn ich Pech hatte, ein Sommertag sein. Wenn ja, so konnten sich die Leute ihren Winter an den Hut stecken. Fische im Meer, hatte Kraj gesagt, das Leben hier spielt sich im Meer ab. Nichts lebte auf dem Schnee. Nur ich. Und wie lange ich noch lebte, hing davon ab, wie lange ich in Bewegung bleiben konnte. Die Kleidung, die ich am Leibe trug, war in Ordnung – solange ich ein bisschen Hitze hineinblies, indem ich einen Fuß vor den anderen setzte. Ewig konnte das nicht weitergehen. Aber ich hatte bei der Landung ein Gebäude gesehen. Es musste andere geben. Es musste hier auch noch etwas anderes existieren als der ewige Schnee.

Und damit behielt ich recht – und wäre fast hineingestürzt. Als ich den Fuß voranstellte, spürte ich etwas nachgeben, etwas wegrutschen. Rein instinktiv warf ich mich nach hinten und ließ mich in den Schnee fallen. Der Packschnee vor mir brach auf, entfernte sich, und ich starrte ins dunkle Wasser. Als der Spalt breiter wurde und ich den Rand des Eises sah, ging mir auf, dass ich mich gar nicht mehr auf dem Land befand, sondern auf eine gefrorene Wasserfläche hinausmarschiert war.

Wenn ich bei dieser Temperatur hineinfiel, wenn ich mir auch nur eine Hand oder einen Fuß feucht machte, war mir der Tod gewiss, der Tod durch Erfrieren. Dieser Gedanke gefiel mir absolut nicht. Ohne aufzustehen, verteilte ich mein Gewicht so gut wie möglich und schob mich rückwärts vom Abgrund fort. Erst als ich ein gutes Stück zurückgelegt hatte, wagte ich aufzustehen und ging auf meiner halb zugeschneiten Spur zurück.

»Was jetzt, Jim? Denk nach. Vor dir erstreckt sich Wasser, darauf lässt sich nur mit Mühe wandeln!«

Ich blieb stehen und ließ den Blick langsam im Kreis wandern. Es hatte zu schneien aufgehört, doch der Wind blies die Flocken immer wieder hoch und wirbelte sie herum. Nachdem ich nun wusste, worauf ich zu achten hatte, sah ich allerdings die dunkle Linie des Ozeans, sobald es einmal etwas aufklarte. Die Kante erstreckte sich nach links und rechts, so weit das Auge reichte, quer zu der Richtung, der ich bisher gefolgt war.

»Dann muss ich die Richtung wohl aufgeben.« Ich wandte mich um. »Nach deiner wackligen Spur zu urteilen, entbehrungsgewohnter Arktisforscher, bist du aus dieser Richtung gekommen.



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